Was gebe ich im Internet über mich preis: Rechtliche Informationen bezogen auf Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen

Begriffsklärungen

Öffentlich(keit) und Privat(heit): Die Grenze zwischen öffentlich und privat kann laut Jeff Weintraub auf zwei Arten definiert werden: Erstens kann unterschieden werden zwischen Dingen von kollektivem (öffentlichem) versus individuellem (privatem) Interesse. Zweitens kann unterschieden werden zwischen einem frei zugänglichen und für jedermann sichtbaren (öffentlichen) Bereich versus einem vor fremden Blicken geschützten (privaten) Bereich.

Überblick über Faktenlage

Eine entscheidende Frage im Umgang mit der digitalen Welt im Allgemeinen und mit Sozialen Netzwerken im Besonderen ist die Frage, welche Informationen Klientinnen und Klienten auf welchen Plattformen über sich zur Verfügung stellen. Die Hauptproblematik ist hier nicht, dass die Klientinnen und Klienten gegen Gesetze verstossen, sondern vielmehr, dass sie unüberlegt persönliche Informationen über sich veröffentlichen. Zentral ist das Thema also nicht wegen möglichen strafrechtlich relevanten Delikten, sondern wegen der möglichen Auswirkungen für die Klientinnen und Klienten selber. Die Klientinnen und Klienten sollten deswegen den Grundsatz kennen: «Das Internet vergisst nichts».

Die meisten Menschen gehen davon aus, dass Informationen privat bleiben, wenn sie in einer vertraulichen, intimen Situation geteilt wurden. Durch die allgemeine Zugänglichkeit und schwere Kontrollierbarkeit des Internets sind solche tradierte soziale Normen allerdings nur noch beschränkt wirksam. Viele soziale Netzwerke sind darauf ausgelegt, die Nutzenden zur Verbreitung von Nachrichten und Kommentaren aufzufordern. In der digitalen Welt sind deswegen die «klassischen» Annahmen über getrennte Bereiche von öffentlich und privat und über die Sichtbarkeit und Verbreitung von Mitteilungen ausser Kraft gesetzt. Auch bei der Unterscheidung von kollektivem (öffentlichem) versus individuellem (privatem) Interesse führen «klassische» Annahmen in die Irre wie z.B., dass sich sowieso nur das direkte persönliche Umfeld für die eigene Person interessiere und kein öffentliches Interesse am eigenen unspektakulären Alltag bestehe. Auch Nutzungsrechte entsprechen nicht den tradierten Gewohnheiten (z.B. hat Facebook das Verwertungsrecht über alles, was auf diese Plattform hochgeladen wird).

Zwar ist allgemein bekannt, dass man im Netz vorsichtig sein soll mit der Preisgabe persönlicher Informationen. Viele Personen halten jedoch den Schutz ihrer Privatsphäre zwar generell für wichtig, übertragen dies aber nicht oder nur bedingt auf ihr eigenes Handeln (das sogenannte Privacy-Paradox).

Die Einrichtungen sind hierbei mehrfach gefordert: Erstens ist es wichtig, den Klientinnen und Klienten präventiv das notwendige Grundwissen zu Verhaltensregeln im Netz zu vermitteln (z.B.: keine Personendaten an fremde Personen weitergeben, keine Treffen mit Personen, die man im Internet kennengelernt hat resp. nur mit Begleitung). Möglicherweise braucht es darüber hinaus weitere konkrete Schutzmassnahmen wie beispielsweise, regelmässig mit den Klientinnen und Klienten das Onlineverhalten betrachten oder allenfalls die Chronik des Internetverlaufs überprüfen (siehe hierzu Kapitel 2 Kontrolle und Persönlichkeitsrechte). Damit Fachpersonen von Gefährdungssituationen erfahren, braucht es vertrauensvolle Beziehungen zwischen Fachpersonen und den Klientinnen und Klienten. Der Fokus in der Interaktion zwischen Fachpersonen und Klientinnen und Klienten sollte nicht auf Verboten und Regeln liegt, damit die Wahrscheinlichkeit steigt, dass diese ihre Erlebnisse mit den Fachpersonen teilen.

Weiterführende Informationen finden Sie beispielsweise hier:

Weintraub, Jeff und Kumar, Krishan (1997): Public and Private in Thought and Practice. Chicago/London: The University of Chicago.

Checkliste «Sicherheit in Sozialen Netzwerken»: Link

Schlussfolgerungen und Empfehlungen bezogen auf Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen

Grundsätze

  • Die Klientinnen und Klienten, die online Informationen über sich preisgeben, müssen soweit möglich in angepasster Form darüber informiert werden, dass diese Informationen kaum mehr entfernt oder kontrolliert werden können. Vorgefallenes kann kaum mehr aus der Welt geschaffen werden, auch nicht durch die Polizei.
  • Diskutieren Sie mit den Klientinnen und Klienten, welche Informationen über sich selber sie wo gegenüber wem und in welcher Weise preisgeben und was die Konsequenzen daraus sein könn- ten. Diskutieren Sie auch Fragen der Vertrauenswürdigkeit und Regeln der Kommunikation mit unbekannten Personen. Eine mögliche Kernbotschaft ist: «Das Internet vergisst nichts – nur posten, was alle sehen dürfen». Eine Prüffrage könnte sein: «Ist es ok, wenn dieses Bild in unserer Einrichtung als Plakat aufgehängt wird?»

Prüffragen

  • Wie bewegen sich die Klientinnen und Klienten im Netz? Welche Informationen geben sie über sich preis?
  • Haben die Klientinnen und Klienten das notwendige Wissen und geeignete Strategien, wie sie mit ihnen unbekannten Personen kommunizieren können?
  • Sind wir mit den Klientinnen und Klienten im Gespräch darüber, welche persönlichen Informationen sie mit wem teilen?