Pornografie und Gewaltdarstellungen im digitalen Raum: Rechtliche Informationen bezogen auf Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen
Autorin: Rahel Heeg
Beratung zu juristischen Fragen MEKiS aktiv: Prof. Peter Mösch Payot (Hochschule Luzern)
Absprache zu fachlichen Fragen: Arbeitsgruppe MEKiSaktiv (Vertretungen BFF, medi und HSA FHNW, Frank Egle)
Beratung zu juristischen Fragen MEKiS: Prof. Peter Mösch Payot (Hochschule Luzern) (2020, 2025), Daniel Sollberger (Kantonspolizei Basel- Stadt / Jugend- und Präventionspolizei) (2020)
Begriffsklärungen
Pornografie meint die Darstellung sexueller Vorgänge unter einseitiger Betonung des genitalen Bereichs und unter Ausklammerung von psychischen und partnerschaftlichen Aspekten, die darauf ausgelegt sind, die Konsumenten sexuell aufzureizen, und in denen die dargestellten Personen als ein blosses Sexualobjekt erscheinen, über das nach Belieben verfügt werden kann.
Unter weicher Pornografie versteht das schweizerische Strafgesetzbuch Pornografie, die nicht unter harte Pornografie fällt. Unter harte Pornografie fallen tatsächliche (reale) oder fiktive (z.B. als Comic) sexuelle Handlungen mit Kindern oder mit Tieren. Harte Pornografie ist verboten. Das Herstellen, das Anbieten, das zur Verfügung Stellen, der Konsum und der Besitz sind ausnahmslos strafbar.
Das Schutzalter vor verfrühten sexuellen Kontakten beträgt in der Schweiz 16 Jahre. Sexuelle Handlungen mit oder unter Einbezug von Kindern im Schutzalter sind verboten, ausser wenn der sexuelle Kontakt zu einer Person unter 16 Jahre einvernehmlich erfolgt und der Altersunterschied nicht mehr als drei Jahre beträgt.
Gewaltdarstellungen sind laut Strafgesetzbuch eindringlich dargestellte, grausame Gewalttätigkeiten gegen Menschen oder Tiere, die die elementare Würde des Menschen in schwerer Weise verletzen. Eine Spezialform ist das sogenannte «Happy Slapping» (lustiges Draufschlagen): Darunter wird verstanden, dass Personen geschlagen oder verletzt werden und dies gleichzeitig gefilmt und anschliessend via Handy oder über das Internet verbreitet wird.
Überblick über Faktenlage
Es ist verboten, Personen unter 16 Jahren pornografisches Material zugänglich zu machen, ob es sich nun um weiche oder harte Pornografie handelt (Jugendschutzartikel).
Drei Formen von Pornografie sind allgemein verboten (= illegale Pornografie): reale oder fiktive sexuelle Darstellungen mit Kindern unter 18 Jahren, sexuelle Darstellungen mit Tieren oder mit Gewalttätigkeiten. Es ist grundsätzlich verboten, solche Darstellungen zu konsumieren, herzustellen, zu besitzen (Download ist Besitz) und anderen Personen anzubieten.
Drei Formen von Pornografie sind allgemein verboten (= illegale Pornografie): sexuelle Darstellungen mit Minderjährigen, mit nicht tatsächlichen Darstellungen von Minderjährigen und mit Tieren. Es ist grundsätzlich verboten, solche Darstellungen zu konsumieren, herzustellen, zu besitzen (Download ist Besitz) und anderen Personen anzubieten.
Ausnahmen: Minderjährige Personen dürfen von sich selber sexuelle Darstellungen herstellen, besitzen, konsumieren und (mit deren Einwilligung) einer anderen Person zugänglich machen. Diese andere Person bleibt für Besitz und Konsum straffrei, wenn sie dafür kein Entgelt verspricht oder leistet, wenn sie die dargestellte minderjährige Person persönlich kennt und wenn der Altersunterschied nicht mehr als drei Jahre beträgt. Ebenso ist es zulässig, pornografische Darstellungen von Minderjährigen herzustellen und diese Darstellungen zu besitzen, zu konsumieren oder der dargestellten Person zugänglich zu machen, wenn die dargestellte minderjährige Person eingewilligt hat, die herstellende Person dafür kein Entgelt leistet oder verspricht und der Altersunterschied zwischen den Beteiligten nicht mehr als drei Jahre beträgt. Das sogenannte Sexting (zusammengezogen aus «Sex» und «Text»), das gegenseitige Versenden von erotischen Fotos oder Filmchen auf dem Smartphone, als digitaler Liebesbrief zwischen Verliebten oder als Mutprobe, ist somit unter den genannten Bedingungen nicht strafbar.
Es ist ebenfalls verboten, Ton- und Bildaufnahmen zu produzieren, die grausame Gewalt gegen Menschen oder Tiere, bzw. tatsächliche oder nicht tatsächliche grausame Gewalt gegen Minderjährige zeigen, solche Aufnahmen zu beschaffen, zu besitzen oder anderen zugänglich zu machen. Ein entsprechendes Gewaltvideo darf auch nicht gespeichert oder weitergeschickt werden.
Beim «Happy Slapping» kommt für die Opfer nebst den körperlichen Folgen der Gewalttat die Demütigung hinzu, wenn diese über Video verbreitet wird. Mit «Happy Slapping» kann man verschiedene strafbare Delikte begehen wie zum Beispiel Körperverletzung, Bedrohung, Beleidigung oder Nötigung. Auch Anstiftung, Mittäterschaft und unterlassene Hilfeleistungen sind strafbar.
Veranstalter von öffentlichen Anlässen, Detailhändler und digitale Plattformen, die Filme oder Videospiele zugänglich machen, müssen dafür sorgen, dass Minderjährige vor Filmen und Videospielen geschützt werden, die ihre Entwicklung gefährden können. Sie müssen die Volljährigkeit der Nutzerinnen und Nutzer kontrollieren, bevor sie Zugang zu für Minderjährige ungeeigneten Inhalten gewähren. Ausserdem müssen sie ein Meldesystem einrichten und Meldungen innerhalb von sieben Tagen prüfen.
Schlussfolgerungen und Empfehlungen bezogen auf Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen
Grundsätze
- Thematisieren Sie mit den Klientinnen und Klienten die rechtliche Situation, soweit diese für sie relevant ist.
- Schulen Sie die Fachpersonen im Umgang mit Themen Sexualität und Gewalt. Definieren Sie Verantwortliche und Abläufe für gravierende Vorfälle.
- Eine Kernbotschaft an Klientinnen/Klienten kann sein: «Es gibt im Internet Dinge, die man nicht anschauen darf, auch wenn sie dort sind.»
Prüffragen
- Kennen die Klientinnen und Klienten die rechtliche Situation in Bezug auf Pornografie und Gewaltdarstellungen?
- Welche Bedeutung haben Gewaltdarstellungen, erotische oder pornografische (Selbst-)Erzeugnisse für die von uns betreuten Klientinnen und Klienten?
- Haben die Klientinnen und Klienten die Möglichkeit, sich mit den Unterschieden zwischen gelebter Sexualität und Pornografie zu beschäftigen?
- In welcher Weise können die Bedürfnisse der Klientinnen und Klienten (nach «Thrill», nach Anerkennung, nach Vertrauensbeweisen) mit der rechtlichen Situation in Einklang gebracht werden?
- Mit wem sprechen die Klientinnen und Klienten zu diesen Themen offen und vertrauensvoll?
Hinweise zu gesetzlichen Grundlagen
Art. 135: Gewaltdarstellung
Art. 187: Sexuelle Handlungen mit Kindern
Art. 197: Pornografie
Bundesgesetz über den Jugendschutz in den Bereichen Film und Videospiele
Illegale Pornografie, illegale sexuelle Handlungen mit Kindern und schwere Körperverletzung sind Offizialdelikte, d.h. sie werden von der Justiz von Amts wegen verfolgt, wenn sie davon Kenntnis erhält.