Pornografie, Sexting, Gewaltdarstellungen im digitalen Raum: Rechtliche Informationen für stationäre Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe

Rahel Heeg

Fachliche Beratung: Peter Mösch (Hochschule Luzern), Daniel Sollberger (Kantonspolizei Basel-Stadt / Jugend- und Präventionspolizei)

Begriffsklärungen

Pornografie meint die Darstellung sexueller Vorgänge unter einseitiger Betonung des genitalen Bereichs und unter Ausklammerung von psychischen und partnerschaftlichen Aspekten, die darauf ausgelegt sind, die Konsumenten sexuell aufzureizen, und in denen die dargestellten Personen als ein blosses Sexualobjekt erscheinen, über das nach Belieben verfügt werden kann.

Unter weicher Pornografie versteht das schweizerische Strafgesetzbuch Pornografie, die nicht unter harte Pornografie fällt. Unter harte Pornografie fallen sexuelle Handlungen mit Kindern oder mit Tieren oder mit Gewalttätigkeiten unter Erwachsenen. Harte Pornografie ist verboten. Das Herstellen, das Anbieten und der Besitz sind ausnahmslos strafbar.

Das Schutzalter beträgt in der Schweiz 16 Jahre. Sexuelle Handlungen mit Kindern im Schutzalter sind verboten. Der sexuelle Kontakt zu einem weniger als 16 Jahre alten Kind ist nur dann nicht strafbar, wenn der Altersunterschied zum älteren Partner, der älteren Partnerin nicht mehr als drei Jahre beträgt.

Die Wortschöpfung Sexting setzt sich aus den englischen Wörtern «sex» und «texting» zusammen. Bei Sexting werden erotische Selbstaufnahmen (Fotos oder Videos) oder erotische Mitteilungen über Plattformen wie etwa Facebook, WhatsApp und Snapchat an eine Person oder an eine Gruppe gesendet.

Gewaltdarstellungen sind laut Strafgesetzbuch eindringlich dargestellte, grausame Gewalttätigkeiten gegen Menschen oder Tiere, die die elementare Würde des Menschen in schwerer Weise verletzen. Eine Spezialform ist das sogenannte «Happy Slapping» (lustiges Draufschlagen): Darunter wird verstanden, dass Personen geschlagen oder verletzt werden und dies gleichzeitig gefilmt und anschliessend via Handy oder über das Internet verbreitet wird.

Überblick über Faktenlage

Es ist verboten, Personen unter 16 Jahren pornografisches Material zugänglich zu machen (Jugendschutzartikel). Der Jugendschutzartikel hat den potenziellen Anbieter von Pornografie im Fokus, nicht den Konsumenten. Dies bedeutet: Wenn Kinder oder Jugendliche unter 16 Jahren (legales) pornografisches Material betrachten, dann ist das nicht verboten. Wenn sie aber pornografisches Material anderen Jugendlichen unter 16 Jahren zeigen (z.B. über Smartphones schicken), werden sie zum Anbieter und machen sich strafbar. Kinder sind in der Schweiz ab 10 Jahren strafmündig.

Drei Formen von Pornografie sind allgemein verboten (= illegale Pornografie): sexuelle Darstellungen mit Kindern unter 18 Jahren, mit Tieren, mit Gewalttätigkeiten. Es ist grundsätzlich verboten, solche Darstellungen zu konsumieren, herzustellen, zu besitzen (Download ist Besitz) oder weiterzuleiten.

Sexuelle Darstellungen mit Kindern unter 18 Jahren sind verboten, egal in welcher Form sie mitwirken. Dazu gehören auch Handlungen an sich selbst oder an anderen Kindern. Richterinnen und Richter stufen sexualisierte Darstellungen von Kindern viel eher als pornografisch ein als solche von Erwachsenen. So können Nacktaufnahmen von Kindern als pornografisch beurteilt werden, wenn die Geschlechtsteile sichtbar sind und das Kind auf eine aufreizende Weise posiert. Nicht pornografisch sind Nacktbilder von Kindern, bei denen eindeutig ist, dass nicht auf die Kinder eingewirkt wurde (zum Beispiel Schnappschüsse in der Badewanne). Ausnahme: Jugendliche zwischen 16 und 18 Jahren, welche einvernehmlich voneinander pornografisches Material herstellen, dieses besitzen oder konsumieren, bleiben straffrei, solange sie es nicht an weitere Personen weiterschicken.

Sexting (zusammengezogen aus «Sex» und «Text») steht für das gegenseitige Versenden von erotischen Fotos oder Filmchen auf dem Smartphone, als digitaler Liebesbrief zwischen Verliebten oder als Mutprobe. Abgesehen von der Gefahr, dass das Bild unkontrolliert weitergeschickt werden kann, besteht das rechtliche Problem, dass z.B. ein Foto einer 15-Jährigen als Kinderpornografie eingestuft werden kann, wenn ihre Geschlechtsteile sichtbar sind oder eine sexuelle Handlung vollzogen wird. In diesem Fall wird sie selber zur Herstellerin und Anbieterin illegaler Kinderpornografie. Alle, die das Foto weiterschicken, werden ebenfalls zu Anbietern von Kinderpornografie.

Es ist verboten, Ton- und Bildaufnahmen zu produzieren, die grausame Gewalt gegen Mensch oder Tier zeigen. Ebenfalls verboten ist es, solche zu beschaffen, zu besitzen oder anderen zugänglich zu machen. Ein Gewaltvideo darf nicht gespeichert oder weitergeschickt werden.

Beim «Happy Slapping» kommt für die Opfer nebst den körperlichen Folgen der Gewalttat die Demütigung hinzu, wenn diese über Video verbreitet wird. Mit «Happy Slapping» kann man verschiedene strafbare Delikte begehen wie zum Beispiel Körperverletzung, Bedrohung, Beleidigung oder Nötigung. Auch Anstiftung, Mittäterschaft und unterlassene Hilfeleistungen sind strafbar.

Quellen/zum Weiterlesen:

SKP (2016): Pornografie: Alles, was Recht ist. Link

SKP (2010): Jugend und Gewalt. Informationen und Tipps für Eltern und Erziehungsberechtigte. Link

Schlussfolgerungen und Empfehlungen für stationäre Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe

Grundsätze

  • Thematisieren Sie mit den Kindern und Jugendlichen die rechtliche Situation.
  • Thematisieren Sie mit den Kindern und Jugendlichen Fragen von Gewalt und von Sexualität, Sich-Präsentieren, Intimität als Vertrauensbeweis in einer ergebnisoffenen Weise und bieten Sie ihnen Gelegenheiten für reflektierte und begleitete Selbsterfahrungen. Im Mittelpunkt sollten nicht Verbote oder Gefahren stehen. Die Kinder und Jugendlichen sollten befähigt werden, eine eigenständige Position zu entwickeln. Es sollte respektiert werden, wenn die Kinder und Jugendlichen zu abweichenden Einschätzungen kommen als man selber.
  • Schulen Sie die Fachpersonen im Umgang mit Themen Sexualität und Gewalt. Definieren Sie Verantwortliche und Abläufe für gravierende Vorfälle.

Prüffragen

  • Kennen die Kinder und Jugendlichen die rechtliche Situation in Bezug auf Pornografie und Gewaltdarstellungen?
  • Welche Bedeutung haben Gewaltdarstellungen, erotische oder pornografische (Selbst-)Erzeugnisse für die von uns betreuten Kinder und Jugendlichen?
  • Haben die Kinder und Jugendlichen die Möglichkeit, sich mit den Unterschieden zwischen gelebter Sexualität und Pornografie zu beschäftigen?
  • In welcher Weise können die Bedürfnisse der Kinder und Jugendlichen (nach «Thrill», nach Anerkennung, nach Vertrauensbeweisen) mit der rechtlichen Situation in Einklang gebracht werden?
  • Mit wem sprechen die Kinder und Jugendlichen zu diesen Themen offen und vertrauensvoll?

Beispiel

Pedro, 15, gibt Adrian, 15, Hotspot, weil dieser sein Datenvolumen aufgebraucht hat. Genau zu diesem Zeitpunkt erhält Adrian von einem Schulkollegen ein Nacktfoto einer Klassenkameradin zugeschickt. Er zeigt es Pedro, beide kichern und machen abschätzige Kommentare über die kleinen Brüste. Adrian schickt das Bild an seine Kollegen weiter.

Alle Aktivitäten über einen Hotspot werden dem Betreiber des Hotspots zugeordnet. In der Praxis ist es schwierig herauszufinden, welche Person welche Aktivität durchgeführt hat. Pedro muss sich also bewusst sein, dass bei illegalen Aktivitäten von Adrian auf den ersten Blick er selber als Urheber betrachtet wird.

Falls das Bild als pornografisch beurteilt wird, macht sich Adrian doppelt strafbar: Er hat einem unter 16-Jährigen Pornografie zugänglich gemacht, und dabei handelt es sich um illegale Pornografie (Kinderpornografie). Auch Pedro kann als Gehilfe strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden, wenn er vorsätzlich handelt, wenn er also Adrian mit Wissen und Willen Hotspot gibt, damit dieser kinderpornografische Erzeugnisse weiterschicken kann.

Ein Nacktfoto wird dann als kinderpornografisches Erzeugnis beurteilt, wenn eine minderjährige (oder minderjährig wirkende) Person bei sexuellen Handlungen dargestellt wird oder wenn Hauptgegenstand des Fotos die Geschlechtsorgane oder die Schamgegend eines Kindes sind, mit dem Zweck sexueller Erregung. Das nackte Posieren, ohne dass die Genitalien sichtbar sind, wird kaum als Kinderpornografie beurteilt werden.

Des Weiteren sind Anzeigen wegen Ehrverletzung und übler Nachrede möglich (siehe @@@). Der zugefügte Schaden und damit verbundene Schadenersatz wird in einem zivilrechtlichen Verfahren beurteilt.

Unabhängig von straf- und zivilrechtlichen Fragen sind mit Pedro und Adrian verschiedene Themen zu besprechen: Pornografie, Mobbing, Datenschutz.

Hinweise zu gesetzlichen Grundlagen

Strafgesetzbuch:

Art. 197: Pornografie

Art. 135: Gewaltdarstellungen

Kinderpornografie und schwere Körperverletzung sind Offizialdelikte, d.h. sie werden von der Polizei bzw. der Justiz von Amts wegen verfolgt, wenn sie davon Kenntnis erhält.