Soziale Konflikte im digitalen Raum: Rechtliche Informationen bezogen auf Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen

Begriffsklärungen

Mobbing meint eine absichtliche offene und/oder subtile psychische Gewalt über einen längeren Zeitraum, mit dem Ziel der sozialen Ausgrenzung der Gemobbten. Dazu gehören direkte und indirekte böswillige Handlungen wie Hänseln, Drohen, Abwerten, Beschimpfen, Blossstellen, Ausgrenzen, Rufschädigen, das Vorenthalten von Informationen, Beschädigen von Eigentum.

Cybermobbing ist Mobbing, bei dem digitale Medien eingesetzt werden, um absichtlich und wiederholt Leid zuzufügen, wenn also jemand über einen längeren Zeitraum über das Internet oder übers Handy beleidigt, beschimpft, blossgestellt oder belästigt wird, wenn über Handy-Nachrichten, Chatrooms, oder soziale Netzwerke Texte, Bilder oder Filme verbreitet werden, um jemanden zu beschimpfen, blosszustellen oder zu belästigen.

Überblick über Faktenlage

Mobbing, d.h. die fortgesetzte Ausgrenzung und Demütigung von Einzelnen entsteht in Gruppen, die sich kennen. Die einzelne Attacke ist nicht unbedingt als Mobbing erkennbar, sie bewegt sich oft im legalen Rahmen und geht somit auch nicht unbedingt mit einer Straftat einher. Beim Mobbing sind in der Regel einige wenige Personen aktiv beteiligt. Hinzu kommen Mitläufer, die den Mobbenden das Gefühl geben, auch in ihrem Sinne zu handeln. Andere schauen als Unbeteiligte oder Aussenstehende zu, halten sich raus oder schauen weg. So werden die aktiv Mobbenden in ihrem Handeln bestärkt. Entsprechend hilft es wenig, bei Mobbing allein auf die direkten Täter zu schauen. Vielmehr ist Mobbing ein Gruppenphänomen mit unterschiedlichen Rollen. Es besteht ein Kräfteungleichgewicht zwischen Täterinnen/Tätern und Opfer, durch die Anzahl von Täterinnen/Tätern und Mitläuferinnen/Mitläufern und durch die soziale Randstellung des Opfers. Im Gegensatz zu einem Konflikt kann das Opfer die Situation meist nicht allein beenden und braucht Hilfe von Außenstehenden.

Bei Cybermobbing kommen im Vergleich mit «klassischem Mobbing» spezifische Problematiken hinzu: Erstens verbreiten sich Infos, Fotos, Beleidigungen blitzschnell an grosse Personenkreise. Zweitens wirken die Beleidigungen nachhaltig, weil Daten im Internet unkontrolliert gespeichert und weiterverbreitet werden können. Drittens bleiben die Täterinnen und Täter oft anonym, z.B., weil sie Accounts mit einem Fake-Profil eröffnen und weil die Infos ohne Wissen des Opfers verbreitet werden. Opfer von Cybermobbing haben darum keine sicheren Rückzugsräume mehr, sie können sich der Mobbingsituation nicht mehr entziehen, da Cybermobbing nicht an bestimmte Räume (z.B. Arbeitsplatz) gebunden ist, sondern das Opfer durch das Internet überall damit konfrontiert werden kann.

Im Rahmen von Cybermobbing können Informationen oder Bilder, die ursprünglich an konkrete Personen gerichtet waren, in breiten Umlauf geraten und gegen eine Person verwendet werden. Beispiele dafür sind sogenannte Sexting-Bilder, also erotische Fotos, die als Liebesbeweis oder Mutprobe an jemanden geschickt werden. Diese Person kann die Bilder jederzeit weiterschicken. Es gilt die Regel: Sobald ein Bild digital vorhanden ist und an andere Personen geschickt wurde, ist nicht mehr absehbar und kontrollierbar, was mit diesem Bild geschieht.

Eine Trennung zwischen Mobbing und Cybermobbing ist in der Praxis meist wenig sinnvoll, da es Mobbing ohne digitale Anteile praktisch nicht mehr gibt. Umgekehrt entsteht Cybermobbing fast immer unter Bekannten.

 

Quellen/zum Weiterlesen:

Klicksafe.de (2016): Ratgeber Cyber-Mobbing. Link

Klicksafe.de (2018): Was tun bei (Cyber)Mobbing Link

Schlussfolgerungen und Empfehlungen bezogen auf Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen

Grundsätze

  • Mobbingprävention ist Cybermobbingprävention: Seien Sie aufmerksam bezüglich Ausgrenzungen. Thematisieren Sie Konflikte und Streitigkeiten, bevor diese eskalieren.
  • Diskutieren Sie im Team und mit den Klientinnen und Klienten die Unterscheidung von alltäglichem Streit und Grenzüberschreitungen. Entwickeln Sie gemeinsam Grundsätze des Umgangs mit Streit.
  • Bei hohem Schweregrad empfiehlt es sich: Übergriffe protokollieren, Beweismaterial sicherstellen, Anzeige erstatten.
  • Klären Sie die Klientinnen und Klienten über die gesetzliche Lage auf. Mögliche Kernbotschaften: Es ist verboten, beleidigende, peinliche Fotos oder Nachrichten von anderen Personen zu verschicken oder herumzuzeigen.
  • Diskutieren Sie mit den Klientinnen und Klienten, welche privaten Informationen sie wo gegenüber wem und in welcher Weise über sich preisgeben und was die Konsequenzen daraus sein könnten. Im Mittelpunkt sollten nicht Verbote oder Gefahren stehen. Die Klientinnen und Klienten sollten befähigt werden, eine eigenständige Position zu entwickeln. Es sollte respektiert werden, wenn die Klientinnen und Klienten zu abweichenden Einschätzungen kommen als man selber. Mögliche Prüffragen: «Könnte man diese Informationen oder Bilder gegen mich verwenden, wenn sie in falsche Hände gerieten? Kann und will ich dieses Risiko eingehen? Kann ich das Risiko vermindern?»
  • Schulen Sie die Fachpersonen im Umgang mit Mobbingsituationen. Definieren Sie Verantwortliche und Abläufe für gravierende Vorfälle.

Prüffragen

  • Erleben die Klientinnen und Klienten Ablehnung oder Ausgrenzung? (in unserer Einrichtung, ausserhalb unserer Einrichtung).
  • Kennen die Klientinnen und Klienten die Regeln eines fairen Umgangs miteinander? Wie können wir sie dazu sensibilisieren?
  • Wie erfahren wir von sozialen Konflikten? Gibt es möglicherweise Konflikte, von denen die Einrichtung nichts erfährt?

Wissen die Fachpersonen, wie sie mit Mobbingsituationen reagieren sollen? Sind für gravierende Vorfälle Verantwortliche und Abläufe definiert?

Hinweise zu gesetzlichen Grundlagen

Obwohl es kein explizites Gesetz gegen Cybermobbing gibt, bestehen Gesetze zu einzelne Handlungen, die zu Cybermobbing gehören.

Strafgesetzbuch:

Art. 143 Unbefugtes Eindringen in ein Datenverarbeitungssystem

Art. 144 Datenbeschädigung

Art. 147 Betrügerischer Missbrauch einer Datenverarbeitungsanlage

Art. 156 Erpressung

Art. 173 Ehrverletzung, üble Nachrede

Art. 174 Verleumdung

Art. 177 Beschimpfung

Art. 179 Verletzung des Geheim- oder Privatbereichs durch Aufnahmegeräte

Art. 179 Unbefugtes Beschaffen von Personendaten

Art. 180 Drohung

Art. 181 Nötigung

Erpressung und Nötigung sind Offizialdelikte, die restlichen sind Antragsdelikte.

Offizialdelikte werden von der Polizei bzw. Justiz von Amts wegen verfolgt, wenn sie davon Kenntnis erhält. Antragsdelikte werden von der Polizei oder Justiz nur dann verfolgt, wenn das Opfer gegen den Täter oder die Täterin (oder gegen Unbekannt) einen Strafantrag stellt.