Das Recht am eigenen Bild im digitalen Raum: Rechtliche Informationen bezogen auf Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen

Begriffsklärungen

Das Recht am eigenen Bild ist ein Teilbereich der Persönlichkeitsrechte nach ZGB. Es besagt, dass jede Person grundsätzlich selbst darüber bestimmt, ob und in welchem Zusammenhang Bilder von ihr verwendet werden.

Das schweizerische Zivilgesetzbuch betont die Persönlichkeitsrechte von allen Menschen, also auch von Menschen mit einer kognitiven Beeinträchtigung. Nach dem ZGB haben alle Menschen in den Schranken der Rechtsordnung die gleichen Rechte und Pflichten. Insbesondere hat jedes Individuum ein Recht auf Unversehrtheit unter anderem in folgenden Persönlichkeitsbereichen:

  • Physische Persönlichkeit: Schutz der körperlichen Integrität, Bewegungsfreiheit
  • Affektive (emotionale) Persönlichkeit: Schutz vor unmittelbaren und nachhaltigen Beeinträchtigungen im seelisch-emotionalen Lebensbereich
  • Soziale Persönlichkeit: Geheim- und Privatsphäre, Verschwiegenheit, informationelle Freiheit (u.a.)

Handlungsfähig ist jede Person, die volljährig (d.h. 18-jährig) und urteilsfähig ist.

Urteilsfähig sind Personen, wenn sie in einer konkreten Lebenssituation „vernunftgemäss“ handeln können, d.h. wenn sie die Tragweite des eigenen Handelns begreifen (Erkenntnisfähigkeit) und fähig sind, gemäss dieser Einsicht aus freiem Willen vernunftgemäss zu handeln (Willensumsetzungsfähigkeit). Die Urteilsfähigkeit ist immer in Bezug auf eine konkrete Situation zu beurteilen. Eine Person kann in Bezug auf gewisse Handlungen urteilsfähig sein, in Bezug auf andere urteilsunfähig.

Ob Persönlichkeitsrechte verletzt werden, bedarf einer Analyse der konkreten Umstände. In unklaren Fällen gilt der Massstab an Persönlichkeitsrechten, der nach Treu und Glauben in der konkreten Situation normalerweise erwartet werden kann.

Überblick über Faktenlage

Wenn das Bild einer Person (als Foto, Film, Zeichnung usw.) veröffentlicht wird (z.B. in einer Hauszeitung, auf einer Homepage, an einer Pinnwand) und darüber keine Vereinbarung mit der abgebildeten Person resp. (bei Urteilsunfähigkeit) mit der Vertretung besteht und wenn die abgebildete Person resp. die Vertretung mit der Veröffentlichung nicht einverstanden ist, kann sie eine zivilrechtliche Klage einreichen. Ein Gericht muss dann entscheiden, ob das Persönlichkeitsrecht in ungerechtfertigter Weise verletzt wurde. Massstab bei der Beurteilung ist der Schaden, der verursacht wurde. Es kommt also nur dann zu einer Verurteilung, wenn die abgebildete Person durch die Veröffentlichung einen Schaden erlitt. Zudem sind bezüglich Fotos, die von Dritten gemacht wurden (ob von Laien oder Profis), deren Urheberrecht zu wahren.

Wenn die Person im Zentrum der Abbildung steht: Wenn eine Person gut erkennbar ist, wenn an sie herangezoomt wird und sie ein bedeutender Teil der Abbildung ist, braucht es prinzipiell eine Einwilligung zur Veröffentlichung. Je eher das Bild die abgebildete Person in ein schlechtes Licht rücken könnte, umso wichtiger ist die Einwilligung.

Eine Einwilligung kann explizit oder implizit erfolgen. Bei einer expliziten Einwilligung erklärt sich die betroffene Person einverstanden, dass ihr Bild veröffentlicht wird. Eine Einwilligung kann sich auch implizit und stillschweigend aus dem Verhalten, Gestik und Mimik ergeben. Wenn jemand an einem Besuchstag vor der Kamera bewusst posiert oder sich für ein Gruppenfoto aufstellt, so kann man davon ausgehen, dass die Person auch mit der Veröffentlichung des Fotos in einem Bericht über den Besuchstag auf der Homepage oder auf Facebook einverstanden ist.

Die Einverständniserklärung muss auf den konkreten Fall bezogen sein. Sie gilt nicht auch in Zukunft und für andere Zwecke. Wie konkret die Erlaubnis sein muss, hängt von den Umständen ab. Je grösser der Eingriff in die Privatsphäre der abgebildeten Person – man denke etwa an Nacktfotos –, desto konkreter und ausdrücklicher muss sich die Einwilligung auf genau diese Veröffentlichung beziehen. Auch bei kleinen Eingriffen in die Privatsphäre ist es sinnvoll und transparent, aber nicht zwingend notwendig, um Erlaubnis zur Veröffentlichung zu bitten.

Wenn Klientinnen und Klienten ungefragt voneinander Fotos machen und weiterleiten, so kann ein zivilrechtliches Verfahren eingeleitet werden, wenn ein Foto einen ernstlichen Nachteil für die betroffene Person darstellt (z.B. durch Fotos im Badezimmer oder von Situationen, in denen man sich blossgestellt fühlt etc.). Sinnvoll ist eine Thematisierung des Umgangs mit Fotos auf der Wohngruppe und eine Erarbeitung von gemeinsamen Regeln.

Die Veröffentlichung von intimen Bildern Minderjähriger kann trotz deren Einwilligung strafbar sein, wenn die Bilder einen sexuellen Charakter haben und als pornografisch bezeichnet werden können (siehe Kapitel 4 Pornografie).

Wenn die Person nicht im Zentrum der Abbildung steht: Ist eine abgebildete Person nicht im Fokus des Bildes, ist sie mitten im Geschehen, etwa in einer Personengruppe und fällt sie kaum auf oder ist sie nur schwer erkennbar, so braucht es grundsätzlich keine Einwilligung dieser Person. Beispiele dafür sind Fotos von einer Gruppe von Menschen, beispielsweise an einer öffentlichen Veranstaltung in einem Schulheim. In sensiblen Kontexten, z.B. in unfreiwilligen Kontexten, ist allerdings mit besonderer Zurückhaltung vorzugehen. Es gilt auch hier: Wenn die Veröffentlichung eines Bildes für die abgebildete Person unangenehme Folgen haben könnte, sollte eine Einwilligung eingeholt werden.

Urteilsfähige Personen dürfen allein über die Veröffentlichung von Bildern entscheiden. Urteilsfähig meint in diesem Zusammenhang, dass sie in der Lage sind, einerseits die Tragweite der Veröffentlichung der Bilder zu begreifen und andererseits entsprechend aus freiem Willen vernunftgemäss zu handeln (vgl. Kapitel zu den Persönlichkeitsrechten). Im Zweifelsfall ist die Vertretung um Erlaubnis zu bitten.

Mit dem Hochladen eines Bilds auf Facebook, Instagram oder Snapchat wird diesen Unternehmen das Nutzungsrecht am Bild gegeben (nur so kann das Bild weiteren Personen zugänglich gemacht werden). WhatsApp hat Nutzungsrechte der Profilbilder, möglicherweise auch weiterer Inhalte (die AGB lassen dazu Interpretationsspielräume offen). Theoretisch können diese Unternehmen das Bild auch über die Veröffentlichung auf der Plattform hinaus weiterverwenden oder beispielsweise Unterlizenzen an weitere Firmen vergeben. Dies würde allerdings das Vertrauen in die Plattformen beschädigen.

Quellen/zum Weiterlesen:

SKP (2015): Das eigene Bild: Alles, was Recht ist. Link

Curaviva (2015): Professionelles Handeln im Spannungsfeld von Nähe und Distanz. Eine Handreichung aus Sicht der Praxis und der Wissenschaft.

Schlussfolgerungen und Empfehlungen bezogen auf Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen

Grundsätze

  • Grundsätze: Fotos dürfen nicht gegen den Willen der abgebildeten Person gemacht werden. Jede Person darf prinzipiell den Verwendungszweck von Fotos/Videos von ihr bestimmen (auch wenn die Bilder nicht öffentlich gemacht werden).
  • Diskutieren Sie mit den Klientinnen und Klienten, die Bilder von sich oder von anderen verschicken oder online stellen, ihren Umgang mit Bildern: In welchen Kontexten machen sie Bilder von anderen Personen und wie verwenden sie diese? Wann sollte die abgebildete Person um Erlaubnis gefragt werden? Mit welchen Aufnahmen und Verwendungszwecken von eigenen Bildern sind sie einverstanden?
  • Diskutieren Sie den Umgang mit Bildern auf Ebene Einrichtung (z.B. Fotos von Anlässen). Entwickeln Sie eine bewusste Kultur des Umgangs mit Bildern und einige Regeln. Grundsätzlich gilt: Je sensibler die Daten und je grösser die Öffentlichkeit, umso wichtiger ist eine Einwilligung der urteilsfähigen Person oder (bei Urteilsunfähigkeit) der Vertretung.
  • Holen Sie bei Porträtfotos und Fotografien von kleineren Personengruppen die Erlaubnis zur Aufnahme und zur Verwendung ein (die Art der Verwendung sollte klar kommuniziert werden).
  • Holen Sie eine explizite Einwilligung ein, wenn Personen auf Bildern deutlich erkennbar sind, die auf Facebook oder der Homepage veröffentlicht werden und sensible Inhalte haben (z.B. weil jemand unvorteilhaft dargestellt wird). Je persönlicher die Fotos sind oder je unvorteilhafter jemand dargestellt wird, umso wichtiger ist die Einwilligung. Achtung: Mit dem Hochladen eines Fotos auf Facebook werden sämtliche Bildrechte an Facebook abgetreten.

Prüffragen

  • Kennen die von uns betreuten Klientinnen und Klienten die Rechte an Bildern? Wird in unserer Einrichtung über Sinn und Zweck des Rechts am Bild diskutiert?
  • In welchen Situationen werden in unserer Einrichtung Bilder (Fotos/Videos) gemacht? (von Klientinnen/Klienten, von Mitarbeitenden). Gibt es Situationen, welche speziell problematisch sein könnten? Wie gehen wir damit um?
  • Wie werden in unserer Einrichtung Bilder von Personen verwendet? Z.B. Homepage, Hauszeitung, Handyfotos durch Klientinnen/Klienten. Kennen die Betroffenen die Bilder? Wann und wie haben sie die Möglichkeit, ihre Einwilligung zu geben oder zu widerrufen?
  • Wie verwenden andere Personen Bilder aus unserer Einrichtung? Werden Bilder von der Homepage zu anderen Zwecken weiterverwendet?

Musterverträge von CURAVIVA zum Umgang mit Bild und Ton

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Hinweise zu gesetzlichen Grundlagen

Schweizerische Bundesverfassung

Art. 13: Anspruch auf Schutz vor Missbrauch persönlicher Daten und auf informationelle Selbstbestimmung

Zivilgesetzbuch

Art. 11: Jede Person ist rechtsfähig

Art. 28: Schutz der Persönlichkeit gegen Verletzungen

Datenschutzgesetz DSG

Europäische Menschenrechtskonvention: Art 8: Recht auf Achtung des Privatlebens