Kontrolle, Persönlichkeitsrechte und Datenschutz im digitalen Raum: Rechtliche Informationen für stationäre Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe

Rahel Heeg

Fachliche Beratung: Prof. Dr. Peter Mösch Payot (Hochschule Luzern) (2020, 2025), Daniel Sollberger (Kantonspolizei Basel-Stadt / Jugend- und Präventionspolizei) (2020)

Begriffsklärungen

Datenschutz meint den Schutz von Personendaten und damit verbunden den Schutz der Persönlichkeit und der Grundrechte von Personen. Personendaten sind Daten, sie sich auf eine konkrete Person beziehen.

Das schweizerische Zivilgesetzbuch betont die Persönlichkeitsrechte aller Menschen, also auch von Kindern und Jugendlichen. Nach dem ZGB haben alle Menschen in den Schranken der Rechtsordnung die Fähigkeit für Rechte und Pflichten und hat jedes Individuum ein Recht auf Unversehrtheit unter anderem in folgenden Persönlichkeitsbereichen:

  • Physische Persönlichkeit: Schutz der körperlichen Integrität, Bewegungsfreiheit
  • Affektive (emotionale) Persönlichkeit: Schutz vor unmittelbaren und nachhaltigen Beeinträchtigungen im seelisch-emotionalen Lebensbereich
  • Soziale Persönlichkeit: Recht auf Geheim- und Privatsphäre, Verschwiegenheit, informationelle Freiheit (u.a.)

(Voll) handlungsfähig ist jede Person, die volljährig (d.h. 18-jährig) und urteilsfähig ist.

Urteilsfähig sind Personen, wenn sie in einer konkreten Lebenssituation „vernunftgemäss“ handeln können, d.h. wenn sie die Tragweite des eigenen Handelns begreifen (Erkenntnisfähigkeit) und fähig sind, gemäss dieser Einsicht aus freiem Willen vernunftgemäss zu handeln (Willensumsetzungsfähigkeit). Auch Personen unter 18 Jahren können in Teilbereichen urteilsfähig sein. Die Urteilsfähigkeit ist immer in Bezug auf eine konkrete Situation zu beurteilen. Eine Person kann in Bezug auf gewisse Handlungen urteilsfähig sein, in Bezug auf andere urteilsunfähig.

Urteilsfähige Minderjährige gelten als beschränkt handlungsunfähig. Wenn Kinder und Jugendliche die Folgen eines Entscheids abschätzen können, dürfen sie beispielsweise mit Zustimmung der Eltern Verträge eingehen, selber verdientes Geld (z.B. durch einen Ferienjob) selbständig verwenden und die höchstpersönlichen Rechte ausüben. Urteilsfähige minderjährige Kinder und Jugendliche dürfen also über Persönlichkeitsrechte selbständig entscheiden. Persönlichkeitsrechte von urteilsfähigen Kindern und Jugendlichen beinhalten u.a.: Entscheidung, wer welche persönlichen Informationen über sie erhält (dies schliesst auch die Eltern mit ein), Entbindung vom Arztgeheimnis, Anzeige bei der Polizei, Beitritt zu einem Verein.

Wenn ein urteilsfähiges Kind einerseits seine Persönlichkeitsrechte ausübt, dies aber andererseits in einem engen Zusammenhang mit einer Gefährdung oder einem Schutzbedarf des Kindes steht (z.B. exzessives Spielen von Computerspielen, unbekannten Personen auf Sozialen Netzwerken persönliche Informationen weitergeben), so stehen die Erziehungsberechtigten und also auch das Wohnheim als (teilweiser) Obhutsinhaber in der Verantwortung. Hier braucht es Güterabwägungen zwischen den Persönlichkeitsrechten des Kindes und dessen Schutzbedarf.

Hintergrundinfo/zum Weiterdenken:

Bei Kindern und Jugendlichen ist die Gehirnentwicklung noch nicht abgeschlossen. Insbesondere das Frontalhirn mit seiner hemmenden Funktion ist in der Jugendphase noch nicht vollständig ausgereift. Dies beeinflusst die Sinne, Gefühle, Gedanken und die Persönlichkeit. Teenager haben für einige Jahre keine neuronale «Spass-Bremse» im Kopf. Dies ist eine wichtige Ursache, warum Jugendliche oftmals Schwierigkeiten haben, Regeln und Grenzen zu respektieren, warum sie ihre Emotionen nicht im Griff haben und unausgeglichen sind, und warum sie sich oftmals aus der Sicht der Erwachsenen unvernünftig und nicht adäquat verhalten.

 

Überblick über Faktenlage

Im Zentrum des Datenschutzes steht die Selbstbestimmung der Betroffenen, sowie der Schutz vor dem Missbrauch persönlicher Daten und vor Diskriminierung aufgrund der Datenbearbeitung. Auf Bundesebene besteht das Eidgenössische Datenschutzgesetz (DSG), auf Ebene Kantone sind kantonale Datenschutzgesetze vorhanden. Bei privaten Einrichtungen (wie Vereinen oder Stiftungen etc.) kommt das DSG des Bundes zum Tragen. Bei kantonalen Behörden und Einrichtungen gelten die kantonalen Datenschutzgesetze.

Grundprinzipien des Datenschutzes sind: [1]

  • Rechtmässigkeit: Es braucht einen Rechtfertigungsgrund, um Daten über eine Person zu erheben, zu bearbeiten oder weiterzugeben.
  • Zweckbindung: Daten dürfen nur für den Zweck verwendet werden, der bei der Erhebung definiert war, ausser es besteht eine explizite Einwilligung in die neue Verwendung oder eine gesetzliche Datengrundlage.
  • Verhältnismässigkeit: Es dürfen nur Daten erhoben werden, welche für den Zweck des Auftrags geeignet, notwendig und für die Betroffenen zumutbar sind (d.h. wenn der Zweck gewichtiger ist als mögliche negative Folgen der Datenerhebung). Die Daten dürfen nur so lange aufbewahrt werden wie zur Erfüllung der Aufgabe notwendig. Sie sind anschliessend zu vernichten oder zu anonymisieren. Daten dürfen nur soweit bearbeitet werden, wie es für den Zweck notwendig ist.
  • Transparenz: Die betroffenen Personen müssen über Art, Umfang und Zweck der Daten informiert werden; sie dürfen jederzeit Auskunft über ihre Daten erhalten und Dateneinsicht nehmen. Die betroffenen Personen müssen laut DSG bei jeder Beschaffung von Personendaten vorgängig informiert werden.
  • Bearbeitung nach Treu und Glauben: Personendaten müssen transparent beschafft und bearbeitet werden. Verboten sind eine Beschaffung ohne Wissen oder gegen den Willen der betroffenen Person oder unter Täuschung der Person (zum Beispiel durch Vorspielen einer falschen Identität).
  • Richtigkeit: Die Daten müssen korrekt und korrigierbar sein. Wer Personendaten bearbeitet, muss deren Richtigkeit prüfen und unrichtige oder unvollständige Daten berichtigen, löschen oder vernichten. Die betroffenen Personen haben jederzeit das Recht auf Korrektur und ev. auf Löschung persönlicher Daten.
  • Datensicherheit, Informationssicherheit: Die Daten sind vor fremdem Zugang zu sichern.

Persönlichkeitsrelevante Daten dürfen nur erhoben, bearbeitet und weitergegeben werden, wenn einer der folgenden datenschutzrechtlichen Rechtfertigungsgründe vorliegt:

  1. Einwilligung: Wenn die betroffene Person urteilsfähig ist, braucht es für die Bearbeitung von sensiblen Daten eine informierte Einwilligung dieser Person. Dabei ist zu beachten: Die Person muss verstehen, was wozu und mit welchen möglichen Folgen erhoben wird; Blankobevollmächtigungen reichen nicht. Ausserdem muss die Einwilligung freiwillig sein: Mögliche Nachteile bei einer Verweigerung müssen im Zusammenhang mit dem Zweck der Datenbearbeitung stehen und verhältnismässig sein. Wichtig: Wenn eine Person bezogen auf einen bestimmten Sachverhalt urteilsfähig ist (wenn sie also die Tragweite des eigenen Tuns abschätzen kann), entscheidet sie darüber grundsätzlich selbständig. Die Urteilsfähigkeit bezieht sich immer auf den aktuellen Sachverhalt. Falls die betroffene Person nicht urteilsfähig ist, braucht es eine Einwilligung der gesetzlichen Vertretung. Über absolute höchstpersönliche Themen (z.B. Liebe und Sexualität) kann nur die betroffene Person entscheiden.
  2. Gesetzliche Ermächtigung oder Verpflichtung zur Datenfreigabe resp. -bearbeitung: Eine Informationsbeschaffung oder Informationsweitergabe ist ohne Einwilligung und gegen den Willen der betroffenen Person möglich, wenn dies zur Erfüllung eines gesetzlichen Auftrags zwingend ist. Es muss im Einzelfall geprüft werden, unter welchen Voraussetzungen die entsprechende Regel eine Informationsweitergabe an wen erlaubt. Oft sind dabei Güterabwägungen notwendig. Für Wohnheime relevant ist die Meldepflicht einer Gefährdung gegenüber Kindes- und Erwachsenenschutzinstanzen, wenn die Fachpersonen durch ihre eigenen Instrumente keine Abhilfe schaffen können.
  3. Bei überwiegendem privatem oder öffentlichem Interesse, z.B. in akuten Notsituationen.

Rechte der betroffenen Personen:

  • Betroffene haben, von einigen Ausnahmen abgesehen, das Recht auf Einsicht, Korrektur und Löschung der Daten.
  • Betroffene haben das Recht auf Datenherausgabe ihrer persönlichen Daten in einem üblichen elektronischen Format.

Die Datenschutzgesetzgebung verlangt auch organisatorische Vorkehrungen. Vor diesem Hintergrund haben stationäre Einrichtungen für Kinder und Jugendliche insbesondere folgende Verpflichtungen:

  • Datenschutzkonzept zum Umgang mit schützenswerten Personendaten, mit Angaben zur Organisation, zur verantwortlichen Person für Datenschutz, zum Datenbearbeitungs- und Kontrollverfahren, zu den Massnahmen zur Gewährleistung der Datensicherheit und zum Umgang mit Pannen
  • Verzeichnis der Bearbeitungstätigkeiten, ausser wenn in kleineren Organisationen (weniger als 250 Mitarbeitende) die Datenbearbeitung nur ein geringes Risiko von Verletzungen der Persönlichkeit von betroffenen Personen mit sich bringt[2]. Da bei stationären Einrichtungen für Kinder und Jugendliche sensible Persönlichkeitsrechte betroffen sind, ist ein Verzeichnis in diesem Bereich auf jeden Fall empfehlenswert.
  • Information der Betroffenen über Art und Zweck der Datenbearbeitung, Stellen, an welche Daten weitergegeben werden und für den Datenschutz verantwortlichen Person
  • Auskunftsrecht für Betroffene über die bearbeiteten Daten
  • Eine rasche Meldung bei Verletzungen der Datensicherheit,[3] wenn damit ein hohes Risiko für die Persönlichkeit oder die Grundrechte der betroffenen Person einhergeht
  • Datenschutzfolgeabschätzung und Sicherungsmassnahmen bei einem erhöhten Risiko für die Gefährdung der Persönlichkeits- und Grundrechte (z.B. bei heiklen medizinischen Daten)

Wenn eine Einrichtung beispielsweise die Surf-Chronik der Kinder und Jugendlichen protokollieren will, so müssen vorliegen: eine Einwilligung der Eltern/der urteilsfähigen Jugendlichen (z.B. über einen Medienvertrag), ein definierter Zweck und ein definiertes Vorgehen, wie mit diesen Daten umgegangen wird (Zugriff, Aufbewahrung, Verarbeitung etc.) sowie technische Sicherungsmassnahmen vor unbefugtem Zugriff auf die Daten. Es muss also klar geregelt sein, welche Daten durch wen zu welchem Zweck angeschaut werden. Hierbei ist die Verhältnismässigkeit zu beachten (z.B. ob ein erhöhtes Gefährdung- oder Missbrauchsrisiko besteht).

Daten dürfen an Dritte nur mit einem Rechtfertigungsgrund weitergegeben werden (siehe oben). Dies beinhaltet auch die Information der Eltern! Diese dürfen bei höchstpersönlichen Themen (z.B. Sexualität) nur mit Einverständnis der Kinder/Jugendlichen oder bei überwiegenden Interessen, z.B. Erziehungs- oder Schutzinteressen,  informiert werden. Wenn beispielsweise ein Jugendlicher regelmässig legale Pornografie konsumiert, so ist eine Information der Eltern nur dann angemessen, wenn der Konsum ein gefährdendes Mass annimmt.

Wenn Kinder und Jugendliche mit ihren Handys Fotos innerhalb der Einrichtung machen und diese ohne Einwilligung der Abgebildeten weiterschicken, ist eine Überprüfung der Handys nur bei einem dringenden Verdacht auf einen strafrechtlich relevanten Vorfall verhältnismässig. In diesem Fall dürfen die Betreuungspersonen das Handy der Polizei übergeben oder (mit Einverständnis der Kinder und Jugendlichen) überprüfen. Unabhängig von der Frage der rechtlichen Relevanz sollte ein solcher Konflikt auf dem Wohnbereich bearbeitet werden und sollten gemeinsame Regeln erarbeitet werden.

Ob Persönlichkeitsrechte verletzt werden, kann nur nach Analyse der konkreten Umstände entschieden werden. In unklaren Fällen gilt der Massstab an Persönlichkeitsrechten, der nach Treu und Glauben in der konkreten Situation normalerweise erwartet werden kann. Bei Einschränkung von Persönlichkeitsrechten muss immer kritisch geprüft werden, ob die jeweiligen Zwecke auch mit weniger einschneidenden Möglichkeiten erreicht werden können.

Bezüglich Einschränkungen von Persönlichkeitsrechten von besonderer Bedeutung ist, was mit einem Heimvertrag (inkl. Reglemente und individuelle Vereinbarungen) konkret und beweisbar (vertraglich) abgemacht wurde und von den Eltern als gesetzliche Vertreter, aber auch von den  urteilsfähigen Jugendlichen akzeptiert wurde. Es sind dabei nur Vereinbarungen sinnvoll, welche auch überprüft und durchgesetzt werden können. Auch bei vertraglichen Vereinbarungen muss allerdings die Verhältnismässigkeit der Einschränkung von Persönlichkeitsrechten kritisch geprüft werden.

Der Schutz der Person ist hoch zu gewichten. Avenir Social (Mösch Pavot & Pärli 2022) empfiehlt folgende Regeln im Umgang mit persönlichen Daten [Empfehlungen sprachlich leicht vereinfacht]:

  • den Umfang der Daten genau definieren
  • die Kompetenz der Auskunftserteilung im Voraus für verschiedene mögliche Situationen regeln
  • Melde- und Anzeigepflichten transparent machen
  • die Verantwortung für das Vernichten und Archivieren von Daten regeln
  • ein Verzeichnis über die Daten erstellen inkl. Zweck, Inhalt und Art der Bearbeitung
  • ein Sicherheitskonzept mit Zugriffskontrolle und Zugriffsbeschränkung ausarbeiten
  • die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter über Datenschutzaspekte informieren

Quelle: Mösch Pavot, Peter, Pärli, Kurt (2022): Datenschutz in der Sozialen Arbeit: eine Praxishilfe zum Umgang mit sensiblen Personendaten. Bern: AvenirSocial - Soziale Arbeit Schweiz

[1] Die folgenden Ausführungen orientieren sich am Wortlaut des DSG. Kantonale Datenschutzgesetze können im Detail leicht andere Formulierungen haben.

[2] Das Verzeichnis muss folgende Mindestangaben enthalten: Person der/des Verantwortlichen, Bearbeitungszweck, Beschreibung der Kategorien betroffener Personen und der Kategorien bearbeiteter Personendaten, Kategorien der Datenempfangenden, Aufbewahrungsdauer der Personendaten oder die Kriterien zur Festlegung dieser Dauer, Beschreibung der Massnahmen zur Gewährleistung der Datensicherheit (geeignete technische und organisatorische Massnahmen zur Vermeidung der Verletzungen der Datensicherheit).

[3] Ansprechperson ist der Eidgenössische Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragte (EDOEB).

Schlussfolgerungen und Empfehlungen für stationäre Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe

Grundsätze

  • Jede Einrichtung benötigt ein Datenschutzkonzept. Beschreiben Sie den Auftrag der Einrichtung und leiten Sie daraus ab, wer, wie, unter welchen Voraussetzungen welche Informationen sammelt, bearbeitet und ev. weitergibt. Benennen Sie eine verantwortliche Person.
  • Prüfen Sie immer, ob eine Datensammlung wirklich mit Blick auf die Zielsetzung der Institution notwendig und die Weitergabe von Daten verhältnismässig ist: Suchen Sie nach Wegen, um so wenig Daten wie möglich zu sammeln, diese so kurz wie möglich zu speichern und nur den Personen Zugriff zu geben, welche diese tatsächlich benötigen.
  • Stellen Sie sicher, dass ein Rechtfertigungsgrund vorliegt (Einwilligung, gesetzlicher Auftrag, überwiegende öffentliche oder private Interessen). Dies kann bezüglich digitaler Medien mit einem Medienvertrag erreicht werden.
  • Eingriffe in die Persönlichkeitsrechte von Kindern und Jugendlichen (z.B. Blockieren von bestimmten Webseiten), das Speichern von persönlichen Daten (z.B. Protokollieren des Chatverlaufs) und das Weitergeben von Daten (auch an die Eltern!) müssen verhältnismässig und transparent sein. Bezüglich Verhältnismässigkeit braucht es Abwägungen zwischen dem Selbstbestimmungsrecht und Recht auf Privatsphäre der Kinder/Jugendlichen und dem Erziehungs- und Schutzauftrag (gegenüber allen Bewohnerinnen und Bewohnern) der Einrichtung. Prüfen Sie immer, ob die Zwecke eines Persönlichkeitseingriffs auch mit geringerer Eingriffsintensität erreicht werden können.
  • Die Daten sind technisch vor unbefugtem Zugriff zu sichern.
  • Diskutieren Sie innerhalb der Einrichtung Spannungsfelder von Persönlichkeitsrechten und dem Erziehungs- und Schutzauftrag der Einrichtung und entwickeln Sie eine gemeinsame, breit abgestützte Haltung. Beziehen Sie dabei nach Möglichkeit auch die Kinder und Jugendlichen mit ein und benutzen Sie dies als Gelegenheit, ergebnisoffen miteinander ins Gespräch zu kommen.
  • Regeln zur Nutzung digitaler Medien sind mit (kleineren oder grösseren) Eingriffen in die Persönlichkeitsrechte der Kinder und Jugendlichen verbunden. Entwickeln Sie Medienregeln unter dem Gesichtspunkt, dass diese den Kindern und Jugendlichen Erfahrungs- und Gestaltungsfreiräume gewähren. Lebensweltorientierung bedeutet in diesem Themenbereich, den Zugang der Kinder/Jugendlichen zur digitalen Welt nicht zu stark einzuschränken.
  • Medienregeln sollen einfach umsetzbar sein (kontrollierbar, mit realistischen, klar vereinbarten und durchsetzbaren Folgen).
  • Die Kinder/Jugendlichen sollten Medienregeln als sinnhaft und angemessen erleben statt als rigide Fremdbestimmung. Darum: Medienregeln demokratisch aushandeln und regelmässig anpassen/revidieren. Hilfreich sind auch Spielräume bei der Umsetzung der Regeln. Dadurch ist ein (in gewissem Umfang) ergebnisoffener Aushandlungsprozess möglich, wodurch die Kinder/Jugendlichen nicht als «Verwaltungsobjekte» adressiert werden, sondern als gleichwertige, handlungsfähige Akteure.

Prüffragen

  • Besteht ein Datenschutzkonzept, welches die Zwecke, die Formen der Datenerhebung und -verarbeitung, die Zuständigkeiten und Prozesse beschreibt?
  • Sammeln und bearbeiten wir nur notwendige Daten, für welche ein Rechtfertigungsgrund vorliegt? Halten wir uns im Alltag an die Vorgaben (z.B. keine sensiblen Informationen per Mail verschicken)?
  • Haben die Kinder und Jugendlichen resp. deren gesetzliche Vertretung die notwendigen Informationen, um eine echte Einwilligung zur Datenerhebung oder -bearbeitung zu geben?
  • Gewähren wir den Kindern und Jugendlichen resp. deren gesetzlichen Vertretung Einsicht in die Daten?
  • Dokumentieren wir alle Prozesse der Datensammlung und -verarbeitung fortlaufend in einem Verzeichnis der Bearbeitungstätigkeiten?
  • Erfüllen wir die technologischen Anforderungen an Datensicherheit?

Beispiele

Jugendliche und Eltern unterschreiben beim Eintritt in die Einrichtung einen Medienvertrag, in dem steht, dass die Inhalte des Handys kontrolliert werden dürfen und dass die Chronik des Internetverlaufs gespeichert wird.

Die Betroffenen müssen umfassend informiert werden, welche Daten durch wen mit welchem Zweck angeschaut werden. Im Datenschutzkonzept muss das konkrete Vorgehen festgehalten sein (verantwortliche Person für Datenschutz, Datenbearbeitungs- und Kontrollverfahren, Massnahmen zur Gewährleistung der Datensicherheit, Umgang mit Pannen). Dieses Konzept muss Teil des Medienvertrages sein. Die Verhältnismässigkeit ist zu beachten. Das bedeutet, dass die Kontrolle und die Speicherung für den Zweck geeignet, notwendig und zumutbar sein muss (z.B. kann dies der Fall sein, wenn konkret ein erhöhtes Gefährdungs- oder Missbrauchsrisiko durch die Jugendlichen besteht). Die Erziehungsberechtigten müssen diesen Regeln zustimmen. Bei einer Zwangseinweisung reicht es, wenn die Eltern/die Jugendlichen Kenntnis der Regeln haben.

Wichtig: Bei einer Kontrolle von Handys durch die Mitarbeitenden ist Zurückhaltung ratsam. Grundsätzlich sollten die Jugendlichen die Inhalte selber zeigen. Bei Kontrolle durch die Mitarbeitenden könnte der Vorwurf der Datenmanipulation entstehen. Deswegen sollte bei Vorfällen, die strafrechtlich relevant sein könnten, und wenn die Jugendlichen nicht zustimmen und die Inhalte zeigen, geprüft werden, ob das Handy der Polizei zur Überprüfung übergeben werden sollte.

Die Speicherung der Chronik des Internetverlaufes sollte als Bearbeitungstätigkeit in ein entsprechendes Verzeichnis aufgenommen werden, da von der Speicherung sensible Persönlichkeitsrechte betroffen sind.

Wenn in der Hausordnung oder in einem Medienvertrag Orte oder Zeiten festgehalten sind, an denen das Handy nicht erlaubt sind, so kann dies rechtlich korrekt sein, solange die Regelungen verhältnismässig sind (namentlich also gerechtfertigt sind durch ein Schutz- oder Erziehungsinteresse, für welche die Massnahme als angemessen erscheint, z.B. zum Ziel, andere Freizeitaktivitäten nicht zu beeinträchtigen). Das Einziehen von Handys zur Schlafenszeit beispielsweise kann als erzieherische Massnahme oder zum Schutz der Erholung verhältnismässig sein.

 

Die Mitarbeitenden haben entdeckt, dass der 15-jährige Sven mehrmals über seinen privaten Laptop Pornos geschaut hat. Sie informieren die Eltern beim nächsten Elterngespräch darüber.

Der Konsum von legaler Pornografie ist in der Schweiz nicht verboten. Also verstösst Sven nicht gegen das Gesetz. Es besteht mit Blick auf den Datenschutz und das Recht auf Selbstbestimmung (Persönlichkeitsschutz) keine generelle Grundlage für die Mitarbeitenden, die Tätigkeit von Sven zu unterbinden, ausser wenn er entwicklungsgefährdend betroffen ist. Eine Information der Eltern ist ohne Einwilligung des Jugendlichen nur vertretbar, wenn der Pornokonsum ein entwicklungsgefährdendes Mass angenommen hat. Das kann vor allem auch der Fall sein, wenn es sich um illegale Formen von Pornografie handelt.

Jessica, 14-jährig, beschwert sich, dass andere Jugendliche der Wohngruppe ohne zu fragen Handyfotos von ihr gemacht haben. Sie ist sich nicht sicher, ob Fotos von ihr auf Snapchat oder Instagram gepostet wurden.

Primär sollte ein solcher Fall auf der Wohngruppe pädagogisch bearbeitet werden und gemeinsame Regeln erarbeitet werden.

Im vorliegenden Fall ist eine Überprüfung wohl in der Regel unter Abwägung der Geheimhaltungsinteressen der Jugendlichen der Wohngruppe und der Schutzinteressen von Jessica nicht verhältnismässig.

Unabhängig davon dürften die Betreuungspersonen das Handy nur mit Einverständnis der Kinder/Jugendlichen überprüfen, oder wenn in einem Medienvertrag eindeutige und klare Vereinbarungen bestehen, wer aus welchem Grund was einsehen darf, und wenn diese Vereinbarung im konkreten Fall verhältnismässig ist.

Bei dringendem Verdacht auf einen strafrechtlich relevanten Vorfall können Mitarbeitende das Handy konfiszieren und die Polizei verständigen.

Bei Vorfällen, die strafrechtlich relevant sein könnten, sollten Fachpersonen die Jugendlichen die Inhalte zeigen lassen. Wenn die Jugendlichen nicht zustimmen, soll das Handy der Polizei zur Überprüfung übergeben werden. Auch hier ist die Entwicklung einer gemeinsamen Haltung wichtig.

Wenn Jessica durch die Bilder Schaden zugefügt wurde und sie dafür einen Schadenersatz will, wird dies in einem zivilrechtlichen Verfahren beurteilt.

Zu Fragen des Rechts am eigenen Bild siehe Kapitel 3

Zu Mobbing und sozialen Konflikten siehe Kapitel 5

Eine Einrichtung sperrt bestimmte Webseiten durch eine Sicherheitssoftware.

Eine Sicherheitssoftware, die einzelne Webseiten sperrt, ist rechtlich zulässig. Eine technische Einschränkung des Zugangs zum Internet ersetzt aber nicht die pädagogische Arbeit. Zu überlegen ist, in welcher Weise Themen wie «nicht kindgerechte Inhalte im Internet» pädagogisch bearbeitet werden können.

Eine Einrichtung hat die Regel, dass die Kinder und Jugendlichen ihr Handy jeden Tag zwischen 17.30 und 18 Uhr verwenden dürfen.

Eine Reglementierung auf eine halbe Stunde pro Tag ist weit entfernt vom durchschnittlichen Handygebrauch Jugendlicher und schliesst sie von «normalen» Kommunikationen aus. Dies kann rechtlich mit Blick auf die Verhältnismässigkeit nur zulässig sein, wenn es im konkreten Fall aufgrund des Erziehungs- und Schutzbedarfes der Kinder und Jugendlichen notwendig erscheint. Zu beachten ist dabei, dass ein sehr enger Rahmen auch eher dazu führt, dass die Mediennutzung heimlich erfolgt und die Kinder/Jugendlichen Fragen oder belastende Erfahrungen nicht mit den Fachpersonen teilen.

Hinweise zu gesetzlichen Grundlagen

Der Wert von Freiheit und Selbstbestimmung prägt die gesamte Rechtsordnung (Bundesverfassung, kantonale Verfassungen, Völkerrecht, Strafrecht, Privatrecht). Auch zum Datenschutz ist die gesetzliche Ordnung zum Datenschutz unübersichtlich, mit mehr als 150 Bundeserlassen, zusätzlich Erlassen im Strafrecht und im Zivilrecht, ausserdem bestehen sowohl bundesrechtliche als auch kantonalrechtliche Datenschutznormen.

Wichtige Gesetzesartikel:

Europäische Menschenrechtskonvention: Art 8: Recht auf Achtung des Privatlebens

Schweizerische Bundesverfassung

Art. 10: Recht auf persönliche Freiheit

Art. 13: Anspruch auf Schutz vor Missbrauch persönlicher Daten und auf informationelle Selbstbestimmung

Strafgesetzbuch

Art. 320: Amtsgeheimnis

Art. 321: Berufsgeheimnis

Zivilgesetzbuch

Art. 11 -19: Rechtsfähigkeit, Handlungsfähigkeit, Urteilsfähigkeit

Art. 28: Schutz der Persönlichkeit gegen Verletzungen

Art. 301ff: Elterliche Sorge und Obhut

 

Datenschutzgesetze:

Datenschutzgrundverordnung der EU (DSGVO)

Eidgenössisches Datenschutzgesetz (DSG)

Kantonale Datenschutzgesetze